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Kahn - Sagnol, Lucio, van Buyten, Lahm - Ottl,
Santa Cruz (76. Karimi), van Bommel (90. dos Santos),
Schweinsteiger (65. Demichelis) - Makaay, Pizarro
(Rensing - Salihamidzic, Scholl, Podolski / Magath) |
Nicht - Pinto, Herzig, Sichone, Leiwakabessy - Plaßhenrich,
Reghecampf (65. Fiel), Rösler (78. Ibisevic), Dum (75. Noll) -
Schlaudraff, Ebbers
(Straub - Stehle, Casper, Lehmann / Frontzeck) |
Nach zwei Siegen in Folge musste die Alemannia am fünften Spieltag beim
deutschen Rekordmeister Bayern München antreten. Den hatte man am Tivoli
im Pokal vor zwei Jahren noch geschlagen,
auswärts hatte man das letzte Spiel mit 0:6
verloren, damals noch an der Grünwalder Straße. Seitdem hat sich
in München viel getan: Den FC Bayern kennt man als
arroganten Serienmeister, der anderen Vereine die Spieler wegkauft, jede
Menge charakterlose Erfolgsfans und eine noch charakterlosere Mannschaft hat.
Nun hatte man die Gelegenheit, dieses vor allem aus Sportschau, kicker etc.
geprägte Bild persönlich zu überprüfen, und in der Tat
war es nicht so, wie man es sich vorgestellt hatte... Es war noch viel
bescheuerter. Aus allen Himmelsrichtungen werden am Spieltag Busladungen von
siegessicherem Kuttenvolk angekarrt, die rund um die von Werbemüll
umgebene Schlauchboot-Kampfbahn eher Familienausflugs- als
Fußballatmosphäre verbreiten. Über die Arroganz-Arena
habe ich mich schon bei unserem Spiel bei 1860 zur
Genüge ausgelassen. Zu Bayern passt sie natürlich noch viel besser,
denn sie wirkt ähnlich aufgeblasen wie Uli Hoeness.
Wirklich albern wird es während des Spiels. Während ein kleiner
verzweifelter Haufen hinter dem Tor beharrlich versucht, Stimmung zu machen,
passt sich die emotionslose Lethargie des restlichen Publikums dem
gelangweilt-routinierten Spiel der Spitzenverdiener auf dem Spielfeld an.
Bezeichnend die Leute auf der sonnenüberströmten Gegengerade, die
90 Minuten lang vor allem damit beschäftigt waren, sich Luft
zuzufächern. Zur Vollendung der Dekadenz fehlen eigentlich nur noch
Hartz-IV-Empfänger, die das Luft-Zufächern übernehmen, und
Otternasen-Verkäufer. Emotionen würden auch nur stören,
schließlich geht es ja ums hemmungslose Geldscheffeln, entschuldigung,
Herr Rummenigge: um die Konkurrenzfähigkeit des deutschen
Fußballs. So ist es auch nur verständlich, dass man keine Fahnen
oder dergleichen an die Brüstung hängen darf, die den VIPs auch nur
ansatzweise den Blick auf die VIP-Logen gegenüber versperren
könnten.
Ab und zu gibt es allerdings Gästefans, die ein wenig Leben in die Bude
bringen. Aus Aachen war es knappe 10000, die den Spielbesuch zu großen
Teilen mit dem Besuch des Septemberfestes kombinierte, jener Touristenfalle,
wo man ein großes Glas schlechtes Bier zum Preis von anderthalb
Kästen erwerben kann, wenn man denn lange genug wartet. Leider steht man
bei Bayern als Gästefan nicht im Unterrang wie bei 1860, sondern hoch
oben unterm Dach, von wo man zwar einen guten Überblick hat, aber keine
Details wie z.B. einzelne Spieler, den Ball o.ä. erkennen kann.
Dabei hätte man zumindest die erste Halbzeit gerne aus der Nähe
gesehen, denn wenigstens unsere Mannschaft spielte mit viel Herz und
Leidenschaft. Ein wenig davon hätte man auch von der Heimelf erwartet,
die in der Vorwoche dummerweise 2:1 in Bielefeld verloren hatte. Deren
Chancen resultierten allerdings entweder aus Standardsituationen oder dem
gelegentlichen Aufblitzen der inviduellen Klasse des einen oder anderen
Millionärs. So setzte sich Bastian Schweinbesteiger auf der linken Seite
gegen Sergio Pinto durch und flankte genau auf den Kopf von Claudio Pizarro,
der seinen Kopfball etwas zu hoch ansetzte. Etwas später verpasste Daniel
van Buyten einen Freistoß von Schweinbesteiger mit der Fußspitze.
Wieder Schweinbesteiger brachte eine Ecke von rechts herein, und Nico Herzig
kratzte Lucios Kopfball von der Linie. Nach Flanke von Mark van Bommel gewann
Daniel van Buyten mit Hilfe eines Schubsers das Kopfballduell gegen Reiner
Plaßhenrich, Kristian Nicht wehrte ab und Claudio Pizarro staubte ab.
Die Musik ging an, und plötzlich zeigte sich, dass die Sitze nicht nur
bunt angemalt waren, denn überall standen Leute auf. Zum Glück
hatte der Schiedsrichter van Buytens Foul gesehen. Auf der anderen Seite flog
Nico Herzig an einer Ecke von Laurentiu Reghecampf vorbei. Die
größte Chance hatte Marius Ebbers, der nach Freistoß
Reghecampf völlig frei zum Kopfball kam, aber den Ball nicht richtig
traf und am stark reagierenden Dschingis Kahn scheiterte. Nach 37 Minuten
wurde Marius Ebbers (aus der Ferne betrachtet knapp im Strafraum) umgestoßen,
der Schiedsrichter hatte Foul gesehen, verlegte den Tatort aber
außerhalb des Sechzehners. Sascha Dum lief an, Bastian Schweinbesteiger
und Lucio fälschten den Ball hintereinander ab, und nach den Toren gegen
Gladbach gab es den nächsten Ganzkörperorgasmus. Leider blieb keine
Zeit für ein herzliches "Magath raus" hinterher, denn die
Gastgeber schlugen schnell zurück. Bastian Schweinbesteiger ließ
erneut Sergio Pinto stehen, und Nico Herzig warf sich im letzten Moment in
seinen Schuss. Beim anschließenden Eckball stieß Claudio Pizarro
Sascha Dum weg, aber der Schiedsrichter wollte den Bayern offenbar
nicht zum zweiten Mal ein Tor abpfeifen, und so war die Führung schnell
dahin (die Gegentore nach Standards häufen sich). Sergio Pinto sah Gelb
wegen Reklamierens. Bis zur Pause wurde es noch
hektisch. Jan Schlaudraff ging bei einer Rangelei mit dem bereits verwarnten
Lucio zu Boden, aber statt Platzverweis für Lucio gab es Gelb für
Schlaudraff. Naja, genaues war von
oben unterm Dach nicht zu erkennen, also im Zweifelsfall für die mit der
Kohle.
Zur Pause hatte Felix Magath wohl die richtigen Worte gefunden, denn seine
Mannschaft spielte plötzlich Fußball. Philipp Lahm traf aus 20
Metern den linken Pfosten des
Aachener Tores. Lukas Polanski übrigens lief zwar beim
Warmmachen immer wieder übers Spielfeld, durfte aber nicht mitspielen.
Dafür hätte er wahrscheinlich in der zweiten Liga bei Sülz 07
bleiben müssen, aber zumindest wird er fürs Warmmachen bestens
bezahlt und kann sich demnächst seine eigene Sonderschule kaufen. Das 2:1
lag mittlerweile in der Luft. Mark van Bommel scheiterte nach Diagonalpass
von Lucio an Kristian Nicht. Ein einziger gewonnener Zweikampf von Mark van
Bommel gegen Reiner Plaßhenrich reichte zum Siegtor, van Bommel zog aus
20 Metern ab, der Ball setzte auf und schlug zum 2:1 im rechten Eck ein.
Claudio Pizarro verzog zunächst und legte in der nächsten Szene nach
innen, wo Roque Santa Cruz am Ball vorbeigrätschte. Mitte der zweiten
Hälfte ließen die Gastgeber die Zügel ein wenig schleifen,
und angetrieben vom mittlerweile grandiosen Support aus dem Gästeblock
bekam unsere Mannschaft die zweite Luft. "Ganz egal wo Du spielst, gegen
welchen Verein, wir werden bei Dir sein" wurde fast bis zum Schlusspfiff
von beinahe jedem der 8000 Aachener mitgesungen - wenn es nur die Hälfte
davon wörtlich meinte, muss man sich zumindest keine Sorgen machen, mit
nur 200 Leuten in Wolfsburg oder Cottbus zu stehen. Der wiedergenesene
Cristian Fiel war mittlerweile im Spiel und sorgte für einigen frischen
Wind. Marius Ebbers ließ
die etwas behäbigen Lucio und Daniel van Buyten stehen und prüfte
Dschingis Kahn aus 20 Metern. Die Alemannia kam tatsächlich noch zum
Ausgleich. Jan Schlaudraff ließ an der linken Seitenauslinie Ali Karimi
stehen und fand mit seiner Flanke Marius Ebbers. Bei dessem Kopfball stand
Emil Noll, der am langen Pfosten einköpfte, auf gleicher Höhe mit
Daniel van Buyten, aber der Linienrichter verließ sich auf die bayrische
Hintermannschaft, die kollektiv die Arme hob, und hob auch mal seine Fahne.
Überpünktlich im Anschluss an eine endlos dauernde Münchener
Auswechslung beendete der Schiedsrichter das Spiel.
In München kann man verlieren, aber unter den Umständen ist es dann
doch ärgerlich. Auf die Leistung der Mannschaft kann man in jedem Fall
stolz sein. Wenn wir in den nächsten wichtigen Spielen gegen Bochum,
Mainz, Cottbus und Bielefeld daran anknüpfen können, sind wir auf
dem besten Weg zum Klassenerhalt.