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Straub - Landgraf, Klitzpera, Lanzaat, Blank - Grlic,
Brinkmann (73. Paulus), Pflipsen, Fiel (88. Bediako) - Meijer,
Krontiris (69. Salou)
(Memmersheim - Ewertz, van der Luer, Michalke / Berger) |
Kahn - Sagnol, Kuffour, Demichelis,
Lizarazu (84. Pizarro) - Hargreaves,
Jeremies (80. Schweinsteiger), Salihamidzic, Ballack -
Santa Cruz, Makaay
(Trainer: Hitzfeld) |
Nach dem vermeintlichen Traumlos für die Alemannia im Viertelfinale des
DFB-Pokals teilten sich in Aachen die Meinungen: Die einen jubelten über
das große Los, die anderen hätten so kurz vor dem Finale lieber
Lübeck oder Duisburg am Tivoli gesehen. Schließlich konnte die
Alemannia in ihrer Vereinsgeschichte noch nie gegen Bayern gewinnen. In drei
Jahren Bundesliga gab es fünf Niederlagen und nur ein Unentschieden, und
in der Aufstiegsrunde zur Bundesliga 1965 endeten die vorentscheidenden
Gruppenspiele 2:1 für die Bayern sowie
1:1. Zuletzt hatte es auf dem Tivoli vor fast genau
fünf Jahren in einem Testspiel ein deutliches
0:5 gegeben. Von den Alemannen, die damals auf den
Platz standen, sind nur noch Christian Schmidt als Torwarttrainer sowie Ben
Manga als Scout und Amateurspieler im Verein. Bei den Bayern waren es mit
Salihamidzic, Kuffour und Lizarazu immerhin drei, die damals wie heute
aufliefen.
Trotz leichter Organisationsschwierigkeiten (Schlangen bis zur Tankstelle
dank zu weniger Eingänge) waren die Bedingungen für ein
Fußballfest optimal. Das Stadion war voll, die Stimmung gut, und die
Aktiven Alemanniafans hatten ihre bis dato aufwändigste Choreo
vorbereitet. Die Alemannia, bei der Cristian Fiel den Vorzug vor Frank
Paulus erhielt, legte auch stark los und hielt nicht nur mit, sondern setzte
die Gäste unter Druck und ließ den Favoriten kaum zur Entfaltung
kommen. Nach nicht einmal fünf Minuten hielt es Superstar Michael Ballack
für nötig, gegen Karlheinz Pflipsen rustikal zur Sache zu gehen -
der Schiedsrichter beließ es bei einer Ermahnung. Zehn Minuten waren
gespielt, als Ivica Grlic nach einem schnell ausgeführten Freistoß
von Pflipsen den ersten Schuss auf das Tor von Oliver Kahn abfeuerte. Die
erste dicke Torchance ließ nicht lange auf sich warten: Erik Meijer
erreichte eine Flanke von Dennis Brinkmann am langen Pfosten mit dem Kopf und
köpfte einen Abwehrspieler an. Der Ball prallte zu Cristian Fiel,
dessen Flachschuss die kleine Lücke zwischen dem hereinrutschenden
Emmanuel Krontiris und dem Torpfosten fand. Auf der Gegenseite gab Roque Santa
Cruz
den ersten Warnschuss ab, zielte aber deutlich über das Tor. Nach knapp
20 Minuten deutete Stefan Blank erstmals an diesem Abend seine Schussgewalt
an, hatte aber noch keinen Erfolg. Mitte der ersten Hälfte hatte die
Alemannia ihre stärkste Phase. Erik Meijer ließ eine Hereingabe
von Stefan Blank von der linken Seite auf Emmanuel Krontiris durch. Der stand
ganz frei vor dem Tor und zog in Richtung Torwinkel ab, aber Oliver Kahn
konnte mit einer sensationellen Parade das 1:0 verhindern. Bei der
darauffolgenden Ecke verpasste Alexander Klitzpera um Haaresbreite die
Führung. Die war allmählich überfällig, als zur
Abwechslung die linke Abwehrseite der Bayern ausgespielt wurde und Emmanuel
Krontiris in der Mitte aus kurzer Distanz den Ball mit der Hacke nicht traf.
Im Nachsetzen schoss Cristian Fiel aus 10 Metern einen Münchener
Abwehrspieler auf der Torlinie an. Von den Bayern war derweil außer
einem Kopfball von Jens Jeremies wenig zu sehen. Michael Ballack pöbelte
fleißig seine Mitspieler an, während das Publikum seinen Spaß
hatte. "Bayern, wir hören nichts", musste der Gästeblock
an seine Existenz erinnert werden. Nach 34 Minuten fiel endlich die zu diesem
Zeitpunkt hochverdiente Führung. Stefan Blank hielt aus knapp 30 Metern
drauf und traf genau in den rechten oberen Torwinkel. Der Tivoli kochte nun,
irgendwo aus Block P wurde "Zieht den Bayern die Lederhosen aus"
angestimmt, und das ganze Stadion sang mit, etwas später wunderte sich
der S-Block "erste Liga, keiner weiß warum". Die Bayern
schienen nur noch damit beschäftigt zu sein, sich gegenseitig
anzukacken, so in der Szene, als Oliver Kahn sekundenlang den Ball hielt, bis
er Willy Sagnol zu Ende angeschrien hatte, und danach Sagnol den Ball hielt,
bis er mit Kahn fertig war. Wie es aber so
kommt, wurden die Gäste in den letzten fünf Minuten des ersten
Durchgangs etwas stärker, und man sehnte sich den Halbzeitpfiff herbei.
Der ließ auf sich warten, und die Bayern spielten sich so lange den
Ball hin und her, bis eine scharfe Flanke von Bixente Lizarazu den Kopf des
freistehenden Michael Ballack zum für die Bayern schmeichelhaften
1:1 fand.
Dumm gelaufen, und man musste nun erwarten, dass die Mannschaft das nicht so
leicht wegstecken würde und die Bayern nachlegen könnten. In der
Tat hatten die Gäste das Spiel nun besser im Griff, aber die Alemannia
hielt tapfer dagegen und hatte wieder die erste Chance. Karlheinz Pflipsen
schloss ein Solo mit einem Flachschuss ab, den Erik Meijer nur knapp
verpasste. Auf der anderen Seite verfehlte Roque Santa Cruz nach Flanke von
Lizarazu das Tor von Stephan Straub. Dann lenkte Straub einen Freistoß
von Owen Hargreaves über die Latte. Nach einer Stunde sah dann endlich
Michael Ballack, der das ganze Spiel über den Schiedsrichter bearbeitete,
die gelbe Karte wegen Meckerns. Nach 63 Minuten hatte die Alemannia die bis
dahin beste Chance in der zweiten Hälfte. Dennis Brinkmann konnte sich
auf der rechten Seite durchsetzen und legte zurück auf Karlheinz
Pflipsen, der mit seinem Direktschuss an einem Abwehrbein scheiterte. Danach
folgten zehn Minuten, in denen die Alemannia das Glück hatte, das in der
ersten Halbzeit die Bayern hatten. Zuerst leistete sich der (wie auch
Alexander Klitzpera ansonsten stark verteidigende) Quido Lanzaat einen dicken
Bock und unterlief einen langen Ball. So hatte Roy Makaay das 1:2 auf dem
Fuß, aber Stephan Straub rettete per Fußabwehr das Unentschieden.
Nach einer Ecke von rechts und Kopfball von Michael Ballack rettete Willi
Landgraf am langen Pfosten auf der Torlinie. Wenig später lief Roy
Makaay Alexander Klitzpera davon. Zweimal würde sich ein Stürmer
wie Makaay so eine Chance nicht entgehen lassen, meinte man, aber wieder
hieß der Sieger Stephan Straub. Jörg Berger hatte mittlerweile
Salou für Krontiris und Paulus für den starken Brinkmann gebracht.
Frank Paulus war es dann, der zehn Minuten vor Schluss mit seiner Flanke die
Sensation einleitete. Erik Meijer stieg hoch, schien in der Luft
stehenzubleiben, kam irgendwie mit dem Kopf an den Ball, und irgendwie
landete der Ball im Netz. Der Jubel war riesengroß, aber es musste noch
ganz gewaltig gezittert werden. Der FC Bayern fing plötzlich an,
Fußball zu spielen, und die Alemannia zog sich weit in die eigene
Hälfte zurück. Stephan Straub entschärfte einen
gefährlichen Kopfball von Roque Santa Cruz, und der eingewechselte
Claudio Pizarro schoss knapp am rechten Pfosten vorbei. Zwei weitere
Kopfbälle von Pizarro und Sagnol fanden schließlich ebenso wenig
den Weg ins Tor wie ein Freistoß von Makaay zwei Minuten vor dem Ende.
Der Schiedsrichter hatte zum Glück ein Einsehen, und ließ
kürzer nachspielen als angebracht gewesen wäre.
Damit ging ein großes Spiel zu Ende, aber der Abend noch lange nicht.
Noch eine halbe Stunde nach Abpfiff hatte kaum jemand seinen Platz im Stadion
verlassen - gegen Burghausen war der Tivoli innerhalb von zehn Minuten wie
leergefegt gewesen. Zuvor hatte sich die Mannschaft (in schon wieder neuen
albernen T-Shirts) ihre verdienten Ovationen von den Rängen, unter
anderem aus dem Bayern-Block abgeholt. Deren Fans sind im übrigen bei
allen Erfolgen nicht zu beneiden - unsere aufopferungsvoll kämpfende
Mannschaft möchte ich nicht gegen einen Haufen streitender Superstars
eintauschen. Fast so nervenaufreibend wie das Spiel geriet dann noch die auf
der Videowand übertragene Auslosung. Als zuerst Werder Bremen gezogen
wurde, stockte den meisten der Atem - alles, nur das nicht. Zum Glück
traf die Arschkarte den VfB Lübeck, so dass es noch um das Heimrecht
zwischen Aachen und dem letzten Teilnehmer ging. Der Aufschrei, als zuerst
die Alemannia gezogen wurde, glich einem mittleren Torjubel, und man darf
sich auf ein weiteres ganz großes Spiel auf dem Tivoli freuen. Noch
gegen Mitternacht fuhrend dutzendweise hupende Autos die Krefelder Straße
hoch und runter.
Die Alemannia steht damit zum fünften Mal in der Vereinsgeschichte im
Halbfinale des DFB-Pokals. In den vier bisherigen Halbfinals stehen zwei
Siege zwei Niederlagen gegenüber:
1953: Wormatia Worms - Alemannia 1:3
(Finale in Düsseldorf: RWE - Alemannia 2:1)
1965: Alemannia - Schalke 04 4:3 n.V.
(Finale in Hannover: Dortmund - Alemannia 2:0)
1967: HSV - Alemannia 3:1
1970: Alemannia - FC Cöln 0:4
Neben dem einmaligen Erlebnis, mit Abertausenden von Aachenern nach Berlin zu
fahren, winkt bei einem Halbfinalsieg die Teilnahme am UEFA-Cup -
vorausgesetzt, Bremen schlägt Lübeck und hält in der
Bundesliga mindestens den dritten Platz. Durch die Einführung von
Gruppenspielen im UEFA-Cup winkt da u.U. eine ganz, ganz fette Einnahme -
vom Spaß, mit einem Haufen Chaoten zum Auswärtsspiel nach
Kasachstan oder auf die Färoer-Inseln zu fliegen, ganz zu schweigen.
Aber so weit ist es leider noch nicht - bei allen berechtigten Zweifeln an
der Spielkultur der Rübenstecher: noch spielen die eine Klasse höher
als wir und gehen auf dem Papier als Favorit in dieses Spiel. Abzuwarten
bleibt nur, für wieviel dieses Mal die Karten bei Ebay weggehen.