Sa, 29.05.04, Berlin:
Werder Bremen - ALEMANNIA 3:2 (2:0)
Reinke - Stalteri, Ismael, Krstajic, Schulz (90. Skripnik) - Borowski (88. Charisteas), Baumann, Ernst, Micoud - Klasnic (87. Valdez), Ailton
(Borel - Rolfes, Wehlage, Daun / Schaaf)
Straub - Landgraf (73. Fiel), Klitzpera, Mbwando, Blank - Paulus, Grlic, Pflipsen (80. Gomez), Brinkmann (83. van der Luer) - Salou, Meijer
(Memmersheim - Lanzaat, Michalke, Krontiris / Berger)

Zuschauer: 71682 (ausverkauft; ca. 20000 aus Aachen)
Gelb: Ismael - Klitzpera, Blank, Meijer
Rot: Mbwando (75.; grobes Foulspiel)

1:0 Borowski (31.)
2:0 Klasnic (45.)
2:1 Blank (51.; Grlic)
3:1 Borowski (84.)
3:2 Meijer (93.)























(Foto: Richard)











(Foto: Richard)

















(Fotos: Richard)

Es war ein historischer Tag für unseren Verein. Zum dritten Mal nach 1953 (1:2 gegen Essen) und 1965 (0:2 gegen Dortmund) stand die Alemannia im Finale des DFB-Pokals - zumindest für die jüngeren der rund 20000 mitgereisten Aachener ein einmaliges Erlebnis. Schon die Eindrücke in der Stadt waren überwältigend. An jeder Ecke traf man gelb-schwarz oder grün-weiß gekleidete Menschen, rund um Gedächtniskirche und Bahnhof Zoo war die Party schon vor dem Spiel in vollem Gange. Leider wurde die Vorfreude im Laufe des Tages von diversen hässlichen Gerüchten getrübt - Schmadtke zu Sechzig, Berger nach Frankfurt, Pflipsen mit nach Frankfurt... erschreckend, was in einer einzigen Woche alles kaputtgehen kann. Blieb die Hoffnung, das ein großes Finale alles in einem anderen Licht erscheinen lassen würde.
Nach einem höchstens mit halbem Auge verfolgten Damenfinale und einigem Kommerzterror (inklusive Abwürgen des Alemannia-Lieds) folgte der große Moment, als die 22 Noch-Aachener und Noch-Bremer ins vollbesetzte, nahezu fertig umgebaute Olympiastadion einliefen. Die Aachener Kurve auf beiden Seiten des Marathontores war des Anlasses würdig. Unter dem Motto "eine geile Kurve für eine geile Mannschaft" hatten die aktiven Alemanniafans mit Tausenden von Papptafeln eine ebenso aufwändige wie gelungene Choreo aufgezogen. Auch die mit rund 25000 Menschen etwas größere Bremer Kurve sah durch unzählige kleine Fahnen und große Choreo beeindruckend aus.
Bei der Alemannia begann wie schon bei der Pleite in Karlsruhe George Mbwando im Abwehrzentrum neben Alexander Klitzpera. Willi Landgraf rückte zurück in die Mannschaft, und Frank Paulus wurde als Sonderbewacher für Johan Micoud abgestellt. Im Angriff lief etwas überraschend der finalerfahrene Bachirou Salou anstelle von Daniel Gomez auf.
Die Alemannia wirkte in den ersten Minuten nervös, und der Deutsche Meister wurde zunächst seiner Favoritenrolle gerecht. Ganze 40 Sekunden dauerte es bis zur ersten großen Schrecksekunde. Dem ersten Ballverlust von Karlheinz Pflipsen folgte ein schneller Pass von Johan Micould auf Ailton, der von Alexander Klitzpera nur noch per Foul gestoppt werden konnte. Schiedsrichter Herbert Fandel beließ es bei der gelben Karte, da Willi Landgraf mitgelaufen war und Klitzpera somit nicht als letzter Mann dastand - es sollte die einzige Szene im Spiel bleiben, in der die Alemannia Glück mit einer Schiedsrichterentscheidung hatte. Der Freistoß von Valérien Ismael blieb in der Mauer hängen, aber Bremen drängte weiter auf die Führung. Nach acht Minuten hatte Tim Borowski entlang der rechten Torauslinie viel Platz, aber Stephan Straub hatte aufgepasst. Danach konnte sich die Alemannia allmählich befreien und hätte nach einer Viertelstunde sogar in Führung gehen können. Frank Paulus steckte im Anschluss an einen langen Einwurf von Stefan Blank durch auf Ivica Grlic, der aus zehn Metern frei zum Schuss kam, aber in Rücklage geriet und den Ball über das Tor semmelte. Angetrieben von (anders als in Karlsruhe) großem Support hatte die Alemannia in dieser Phase Oberwasser; Mladen Krstajic klärte nach Flanke von Ivica Grlic mit dem Kopf. Auf der anderen Seite verpasste Ivan Klasnic nach Eckball von Ailton aus kurzer Distanz die Bremer Führung. Nach 23 Minuten kam es zur Szene, an die man noch mit Groll zurückdenken sollte. Ivica Grlic schlug einen langen Pass auf Bachirou Salou, und der lief Valérien Ismael davon. Ismael klammerte und zog von hinten, aber Salou fiel wohl etwas zu theatralisch für einen Elfmeter. Die Aussage "das war nix" von ZDF-Kommentator J. Baptist Kerner war in jedem Fall ähnlich blödsinnig wie dessen Talkshows.
Nach einer halben Stunde fiel in einem bis dahin ausgeglichenen Spiel überraschend die Führung für den Deutschen Meister. Ein Einwurf von Willi Landgraf landete beim Gegner, Ivan Klasnic schickte Fabian Ernst, und der legte den Ball in den Rücken der in dieser Szene unsortierten Aachener Abwehr auf Tim Borowski, der aus 11 Metern zum 1:0 abschloss. Die Alemannia zeigte sich nicht geschockt. Andreas Reinke faustete einen Freistoß von Stefan Blank genau vor die Füße von Erik Meijer, der aber nicht schnell genug reagieren konnte, um den Abpraller zu verwerten. Unsere Mannschaft machte weiter Dampf und hätte sich ein Unentschieden zur Pause redlich verdient gehabt, aber es kam leider ganz anders. Nachdem Johan Micoud fünf Minuten vor dem Wechsel aus aussichtsreicher Position vergeben hatte, leitete ein überhasteter Abwurf von Stephan Straub in der Schlussminute der ersten Halbzeit das 2:0 ein. Ivica Grlic wurde in der Vorwärtsbewegung von Frank Baumann gestoppt - unten herum sauber, aber mit ausgestrecktem linken Arm. Das musste man nicht abpfeifen, aber viele Schiedsrichter hätten es sicher getan. Während Grlic liegenblieb, bediente Baumann Ivan Klasnic, der den Platz, den Alexander Klitzpera ihm ließ, zum Abschluss in die lange Ecke nutzte.
Das sah ganz bitter aus für die Alemannia, und man musste befürchten, dass die Mannschaft einbrechen und deutlich verlieren würde. Ein Freistoß von Ivica Grlic brachte die Alemannia aber zurück ins Spiel. Stefan Blank köpfte etwas überraschend zum Anschlusstreffer ein. Die Stimmung im Fanblock war in der Folgezeit einmalig, obwohl man von nervtötenden Kameraleuten penetriert und von unhöflichen Reichshauptstadts-Polizisten verprügelt wurde, die in Ermangelung eines einsatzfähigen Gehirns die Fäuste sprechen ließen. Letzterer war übrigens einer der wenigen Momente, den die allgegenwärtigen Fernsehkameras verpassten - hätte auch schlecht ausgesehen inmitten aller Werbung für die WM 2006. Die Alemannia setzte jetzt nach und zeigte eine streckenweise grandiose Leistung. Drei Minuten nach dem Anschlusstor verhinderte eine Abseitsposition von Karlheinz Pflipsen bei einem Anspiel von Bachirou Salou eine ganz klare Torchance. Wenig später wurde Ivica Grlic an der Strafraumgrenze von Valérien Ismael umgestoßen, aber wieder blieb der Pfiff aus. Nach 62 Minuten war es Bachirou Salou, der Andreas Reinke mit einem Kopfball nach Grlic-Flanke vor größere Probleme stellte; Reinke hatte Glück, dass der Ball, der ihm durch die Beien rutschte, nicht den Weg über die Torlinie fand. Mit Cristian Fiel für Willi Landgraf kam noch einmal ein frischer Mann, aber kurze Zeit später erteilte Herbert Fandel der Schlussoffensive einen herben Dämpfer. Im Anschluss an eine Aachener Ecke lief der Bremer Konter über Tim Borowski, der nahe der Seitenauslinie von George Mbwando unsanft gestoppt wurde. Aufgrund des Tempos, mit dem beide unterwegs waren, klar gelbwürdig, aber wieso das Rot war, bleibt das Geheimnis von Herbert Fandel - Mbwando hatte Borowski noch nicht einmal berührt. Die Alemannia rannte auch zu zehnt weiter an und hatte kurz nach dem Platzverweis die beste Ausgleichschance. Bachriou Salou legte mit dem Kopf ab, und Stefan Blank zog aus 12 Metern aus vollem Lauf ab, aber der Ball strich knapp über die Latte. Unsere Mannschaft gab nie auf, aber Bremen bot sich in Überzahl Platz zum Kontern. So tauchte Ivan Klasnic nach Diagonalpass von Tim Borowski frei vor Stephan Straub auf, aber der blieb Sieger. Mit Daniel Gomez für Karlheinz Pflipsen wurde eine weitere Offensivoption gezogen, aber es folgte die Entscheidung auf der anderen Seite. Ailton zog zwei Aachener auf sich, Ivan Klasnic legte quer, wo Tim Borowski freistand, der Stephan Straub aussteigen ließ und zum 3:1 vollendete. In den nächsten Minuten hatte die Alemannia Glück, dass Bremen das Ergebnis nicht in die Höhe schraubte. Frank Baumann traf aus kurzer Distanz die Unterkante der Latte, dann rettete Stephan Straub gegen Ailton, und etwas später vergab wieder Ailton eine gute Gelegenheit. Kurz vor Ende der Nachspielzeit verkürzte Erik Meijer aus dem Nichts zum 3:2. Normalerweise ist ein Tor eine weitere Minute Nachspielzeit wert, aber Herbert Fandel hatte keine Lust auf eine mögliche Verlängerung und pfiff sofort ab.
Die Alemannia war nah dran gewesen und hatte einen starken Auftritt hingelegt, vor allem Dennis Brinkmann und Frank Paulus zeigten überragende Leistungen. Wäre man in Karlsruhe genauso aufgetreten, wäre man vermutlich in die Bundesliga aufgestiegen.
In der Aachener Kurve wurde trotz der Niederlage gefeiert, und die meisten Spieler feierten mit. Kai Michalke, der wieder nicht zum Einsatz gekommen war, war allerdings eher zum Heulen zumute. George Mbwando, dem durch die alberne rote Karte sein letztes Alemannia-Spiel verdorben worden war, zeigte sich gerührt und küsste eine Alemannia-Fahne, und auch Markus Daun kam im Trikot von Willi Landgraf in die Kurve und herzte das Alemannia-Wappen - und verkündete einen Tag später seinen Wechsel zum 1.FC Nürnberg.
Auch wenn mir eigentlich nicht nach Feiern zumute war, ist die Enttäuschung nicht so groß wie beim verpassten Aufstieg. Man hat sich gegen eine großartige Mannschaft sehr gut verkauft und war nah an der Sensation. Die Alemannia wurde zwar von Herbert Fandel verpfiffen, aber man sollte nicht vergessen, dass ein übersehenes Handspiel erst zum Finaleinzug verholfen hatte. Bitter ist im Moment hauptsächlich, dass die Mannschaft zu großen Teilen auseinanderfällt und die Perspektive für die neue Saison ungewiss ist.



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