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Reinke - Stalteri, Ismael, Krstajic,
Schulz (90. Skripnik) - Borowski (88. Charisteas),
Baumann, Ernst, Micoud - Klasnic (87. Valdez), Ailton
(Borel - Rolfes, Wehlage, Daun / Schaaf) |
Straub - Landgraf (73. Fiel), Klitzpera, Mbwando, Blank -
Paulus, Grlic, Pflipsen (80. Gomez),
Brinkmann (83. van der Luer) - Salou, Meijer
(Memmersheim - Lanzaat, Michalke, Krontiris / Berger) |
Es war ein historischer Tag für unseren Verein. Zum dritten Mal nach
1953 (1:2 gegen Essen) und 1965
(0:2 gegen Dortmund) stand die Alemannia im Finale
des DFB-Pokals - zumindest für die jüngeren der rund 20000
mitgereisten Aachener ein einmaliges Erlebnis. Schon die Eindrücke in
der Stadt waren überwältigend. An jeder Ecke traf man gelb-schwarz
oder grün-weiß gekleidete Menschen, rund um Gedächtniskirche
und Bahnhof Zoo war die Party schon vor dem Spiel in vollem Gange. Leider
wurde die Vorfreude im Laufe des Tages von diversen hässlichen
Gerüchten getrübt - Schmadtke zu Sechzig, Berger nach Frankfurt,
Pflipsen mit nach Frankfurt... erschreckend, was in einer einzigen Woche alles
kaputtgehen kann. Blieb die Hoffnung, das ein großes Finale alles in
einem anderen Licht erscheinen lassen würde.
Nach einem höchstens mit halbem Auge verfolgten Damenfinale und einigem
Kommerzterror (inklusive Abwürgen des Alemannia-Lieds) folgte der
große Moment, als die 22 Noch-Aachener und
Noch-Bremer ins vollbesetzte, nahezu fertig umgebaute Olympiastadion
einliefen. Die Aachener Kurve auf beiden Seiten des Marathontores war des
Anlasses würdig. Unter dem Motto "eine geile Kurve für eine
geile Mannschaft" hatten die aktiven Alemanniafans mit Tausenden von
Papptafeln eine ebenso aufwändige wie gelungene Choreo aufgezogen. Auch
die mit rund 25000 Menschen etwas größere Bremer Kurve sah durch
unzählige kleine Fahnen und große Choreo beeindruckend aus.
Bei der Alemannia begann wie schon bei der Pleite in Karlsruhe George
Mbwando im Abwehrzentrum neben Alexander Klitzpera. Willi Landgraf rückte
zurück in die Mannschaft, und Frank Paulus wurde als Sonderbewacher
für Johan Micoud abgestellt. Im Angriff lief etwas überraschend der
finalerfahrene Bachirou Salou anstelle von Daniel Gomez auf.
Die Alemannia wirkte in den ersten Minuten nervös, und der Deutsche
Meister wurde zunächst seiner Favoritenrolle gerecht. Ganze 40 Sekunden
dauerte es bis zur ersten großen Schrecksekunde. Dem ersten Ballverlust
von Karlheinz Pflipsen folgte ein schneller Pass von Johan Micould auf Ailton,
der von Alexander Klitzpera nur noch per Foul gestoppt werden konnte.
Schiedsrichter Herbert Fandel beließ es bei der gelben Karte, da Willi
Landgraf mitgelaufen war und Klitzpera somit nicht als letzter Mann dastand -
es sollte die einzige Szene im Spiel bleiben, in der die Alemannia Glück
mit einer Schiedsrichterentscheidung hatte. Der Freistoß von
Valérien Ismael blieb in der Mauer hängen, aber Bremen
drängte weiter auf die Führung. Nach acht Minuten hatte Tim Borowski
entlang der rechten Torauslinie viel Platz, aber Stephan Straub hatte
aufgepasst. Danach konnte sich die Alemannia allmählich befreien und
hätte nach einer Viertelstunde sogar in Führung gehen können.
Frank Paulus steckte im Anschluss an einen langen Einwurf von Stefan Blank
durch auf Ivica Grlic, der aus zehn Metern frei zum Schuss kam, aber in
Rücklage geriet und den Ball über das Tor semmelte. Angetrieben
von (anders als in Karlsruhe) großem Support hatte die Alemannia in
dieser Phase Oberwasser; Mladen Krstajic klärte nach Flanke von Ivica
Grlic mit dem Kopf. Auf der anderen Seite verpasste Ivan Klasnic nach Eckball
von Ailton aus kurzer Distanz die Bremer Führung. Nach 23 Minuten kam es
zur Szene, an die man noch mit Groll zurückdenken sollte. Ivica Grlic
schlug einen langen Pass auf Bachirou Salou, und der lief Valérien
Ismael davon. Ismael klammerte und zog von hinten, aber Salou fiel wohl etwas
zu theatralisch für einen Elfmeter. Die Aussage "das war nix"
von ZDF-Kommentator J. Baptist Kerner war in jedem Fall ähnlich
blödsinnig wie dessen Talkshows.
Nach einer halben Stunde fiel in einem bis dahin ausgeglichenen Spiel
überraschend die Führung für den Deutschen Meister. Ein Einwurf
von Willi Landgraf landete beim Gegner, Ivan Klasnic schickte Fabian Ernst,
und der legte den Ball in den Rücken der in dieser Szene unsortierten
Aachener Abwehr auf Tim Borowski, der aus 11 Metern zum 1:0 abschloss. Die
Alemannia zeigte sich nicht geschockt. Andreas Reinke faustete einen
Freistoß von Stefan Blank genau vor die Füße von Erik
Meijer, der aber nicht schnell genug reagieren konnte, um den Abpraller zu
verwerten. Unsere Mannschaft machte weiter Dampf und hätte sich ein
Unentschieden zur Pause redlich verdient gehabt, aber es kam leider ganz
anders. Nachdem Johan Micoud fünf Minuten vor dem Wechsel aus
aussichtsreicher Position vergeben hatte, leitete ein überhasteter
Abwurf von Stephan Straub in der Schlussminute der ersten Halbzeit das 2:0
ein. Ivica Grlic wurde in der Vorwärtsbewegung von Frank Baumann
gestoppt - unten herum sauber, aber mit ausgestrecktem linken Arm. Das
musste man nicht abpfeifen, aber viele Schiedsrichter hätten es sicher
getan. Während Grlic liegenblieb, bediente Baumann Ivan Klasnic, der
den Platz, den Alexander Klitzpera ihm ließ, zum Abschluss in die lange
Ecke nutzte.
Das sah ganz bitter aus für die Alemannia, und man musste
befürchten, dass die Mannschaft einbrechen und deutlich verlieren
würde. Ein Freistoß von Ivica Grlic brachte die Alemannia aber
zurück ins Spiel. Stefan Blank köpfte etwas überraschend zum
Anschlusstreffer ein. Die Stimmung im Fanblock war in der Folgezeit einmalig,
obwohl man von nervtötenden Kameraleuten penetriert und von
unhöflichen Reichshauptstadts-Polizisten verprügelt wurde, die in
Ermangelung eines einsatzfähigen Gehirns die Fäuste sprechen
ließen. Letzterer war übrigens einer der wenigen Momente, den die
allgegenwärtigen Fernsehkameras verpassten - hätte auch schlecht
ausgesehen inmitten aller Werbung für die WM 2006. Die Alemannia setzte
jetzt nach und zeigte eine streckenweise grandiose Leistung. Drei Minuten
nach dem Anschlusstor verhinderte eine Abseitsposition von Karlheinz
Pflipsen bei einem Anspiel von Bachirou Salou eine ganz klare Torchance. Wenig
später wurde Ivica Grlic an der Strafraumgrenze von Valérien
Ismael umgestoßen, aber wieder blieb der Pfiff aus. Nach 62 Minuten war
es Bachirou Salou, der Andreas Reinke mit einem Kopfball nach Grlic-Flanke vor
größere Probleme stellte; Reinke hatte Glück, dass der Ball,
der ihm durch die Beien rutschte, nicht den Weg über die Torlinie fand.
Mit Cristian Fiel für Willi Landgraf kam noch einmal ein frischer Mann,
aber kurze Zeit später erteilte Herbert Fandel der Schlussoffensive
einen herben Dämpfer. Im Anschluss an eine Aachener Ecke lief der Bremer
Konter über Tim Borowski, der nahe der Seitenauslinie von George Mbwando
unsanft gestoppt wurde. Aufgrund des Tempos, mit dem beide unterwegs waren,
klar gelbwürdig, aber wieso das Rot war, bleibt das Geheimnis von
Herbert Fandel - Mbwando hatte Borowski noch nicht einmal berührt. Die
Alemannia rannte auch zu zehnt weiter an und hatte kurz nach dem Platzverweis
die beste Ausgleichschance. Bachriou Salou legte mit dem Kopf ab, und Stefan
Blank zog aus 12 Metern aus vollem Lauf ab, aber der Ball strich knapp
über die Latte. Unsere Mannschaft gab nie auf, aber Bremen bot sich in
Überzahl Platz zum Kontern. So tauchte Ivan Klasnic nach Diagonalpass
von Tim Borowski frei vor Stephan Straub auf, aber der blieb Sieger. Mit
Daniel Gomez für Karlheinz Pflipsen wurde eine weitere Offensivoption
gezogen, aber es folgte die Entscheidung auf der anderen Seite. Ailton zog
zwei Aachener auf sich, Ivan Klasnic legte quer, wo Tim Borowski freistand,
der Stephan Straub aussteigen ließ und zum 3:1 vollendete. In den
nächsten Minuten hatte die Alemannia Glück, dass Bremen das
Ergebnis nicht in die Höhe schraubte. Frank Baumann traf aus kurzer
Distanz die Unterkante der Latte, dann rettete Stephan Straub gegen Ailton,
und etwas später vergab wieder Ailton eine gute Gelegenheit. Kurz vor
Ende der Nachspielzeit verkürzte Erik Meijer aus dem Nichts zum 3:2.
Normalerweise ist ein Tor eine weitere Minute Nachspielzeit wert, aber Herbert
Fandel hatte keine Lust auf eine mögliche Verlängerung und pfiff
sofort ab.
Die Alemannia war nah dran gewesen und hatte einen starken Auftritt hingelegt,
vor allem Dennis Brinkmann und Frank Paulus zeigten überragende
Leistungen. Wäre man in Karlsruhe genauso aufgetreten, wäre man
vermutlich in die Bundesliga aufgestiegen.
In der Aachener Kurve wurde trotz der Niederlage gefeiert, und die meisten
Spieler feierten mit. Kai Michalke, der wieder nicht zum Einsatz gekommen
war, war allerdings eher zum Heulen zumute. George Mbwando, dem durch die
alberne rote Karte sein letztes Alemannia-Spiel verdorben worden war, zeigte
sich gerührt und küsste eine Alemannia-Fahne, und auch Markus Daun
kam im Trikot von Willi Landgraf in die Kurve und herzte das
Alemannia-Wappen - und verkündete einen Tag später seinen Wechsel
zum 1.FC Nürnberg.
Auch wenn mir eigentlich nicht nach Feiern zumute war, ist die
Enttäuschung nicht so groß wie beim verpassten Aufstieg. Man hat
sich gegen eine großartige Mannschaft sehr gut verkauft und war nah an
der Sensation. Die Alemannia wurde zwar von Herbert Fandel verpfiffen, aber
man sollte nicht vergessen, dass ein übersehenes Handspiel erst zum
Finaleinzug verholfen hatte. Bitter ist im Moment hauptsächlich, dass die
Mannschaft zu großen Teilen auseinanderfällt und die Perspektive
für die neue Saison ungewiss ist.