So, 23.10.38:
ALEMANNIA - VfL Köln 99 1:2 (0:2)
Neußl - Gummer, Schulzen - Goffart, Münzenberg, Dautzenberg - Gentges, Th. Dahmen, Gruber, Kölling, Lande Kogel - Rohmann, Moog II - Tollmann, Moog I, Kuckertz - Rehkessel, Bars, Cay, Werheid, Weyer

Zuschauer: 8000
Platzverweis: Münzenberg (30.; grobes Foulspiel)

0:1 Bars (ca. 5.)
0:2 Moog I (ca. 20.; Foulelfmeter)
1:2 Gruber (56.; Foulelfmeter)

* Das erste Tor sei abseits gewesen, dem Elfmeter sei ein einwandfreier Einsatz Münzenbergs gegen Weyer vorausgegangen und der Platzverweis sei unverständlich, haderte man auf Aachener Seite mit dem Kölner Schiedsrichter Forst. Dieser wurde nach dem Spiel tätlich angegriffen und von wütenden Zuschauern bis zum Bahnhof und z.T. bis in den Zug nach Köln verfolgt.

* Münzenberg wurde vom Kölner Gaufachwart Zündorf für 9 Wochen gesperrt; zusätzlich wurde eine Platzsperre für ein Spiel verhängt, die infolge eines Protestes der Alemannia sogar auf drei Spiele erhöht wurde; die Alemannia musste die nächsten 3 Heimspiele auf dem Platz des Gegners austragen.

"Urteil
[...] 1. Der Spieler Reinhold Münzenberg, Alemannia Aachen, wird auf Grund des Schiedsrichterberichtes bis zum 31.12.1938 gesperrt.
2. Der Platz der Alemannia Aachen wird vorerst für das nächte Meisterschaftsspiel gesperrt, d. h. das nächste Meisterschaftsspiel auf dem Platz der Alemannia (20. 11. 38 Alemannia - VfR Köln) findet demnach auf dem VfR-Platz statt.
Der Vereinsführer von Alemannia Aachen, Dr. Moll, wird ernstlich verwarnt, weil der den Vorschriften zuwider, Platzordner am Spielfeldrand aufstellte, dazu solche, die statt Ordnung zu halten oder für eine Beruhigung Sorge zu tragen, mit zu dem Chor der Entrüsteten zählten.
[...] Verwarnt wird ferner der Fußball-Obmann Karl Zolper, der durch sein Verhalten und seine Bemerkungen zu den Zuschauern, 'das sind die Früchte der Berliner Anordnungen, daß die Schiedsrichter so leiten', ebenfalls statt zur Beruhigung beizutragen, die gereizte Stimmung noch erhöhte.
[...] Dem Vereinsführer wird weiter aufgetragen, den Namen des Mitgliedes nach hier zu melden, der dem Schiedsrichter das Berichtsformular aushändigte und selbst die Namen der Aachener Mannschaft einschrieb. Dieses Mitglied der Alemannia Aachen gilt wegen seiner Bemerkung zum Schiedsrichter auf dem Spielfelde, auf dem er nichts zu suchen hatte, 'wenn Sie den Münzenberg vom Platz setzen, kommen Sie nicht lebend vom Platze', als bis auf weiteres ausgeschlossen. Der Ausschluß aus dem DRL ist Angelegenheit der zuständigen Organe.
Es ist ferner der Alemannia verboten, dem hier in Frage kommenden Mitglied weiterhin Zutritt zu den Spielen der Ligamannschaft der Alemannia zu gewähren, d. h. also, die Alemannia ist verpflichtet, dem Betreffenden gegebenenfalls durch ein ordentliches Gerichtsverfahren das Verbot des Betretens des Platzes zuzustellen.
[...] Weiter wird die Alemannia aufgefordert, jenen Platzordner mit Armbinde namhaft zu machen, der bezeugen will, daß der Schiedsrichter vor dem Spiel die Bemerkung gemacht hat, 'den Münzenberg werde er heute vom Platz setzen'.
[...] Seitens des Schiedsrichters wird gegen diesen Volksgenossen Klage erhoben, damit der Zeuge vor dem ordentlichen Gericht die Möglichkeit hat, seine Aeußerungen durch Eid zu erhärten. - Erwähnt sei zu diesem Punkt, daß der Schiedsrichter bereits den Nachweis erbrachte, daß er seit seiner Ankunft, mit den Linienrichtern von 2 Uhr 15 zusammen war und mit keinem Dritten ein Wort gesprochen hat.
Im übrigen erklärten die beiden Linienrichter, nie wieder auf dem Platz der Alemannia leiten oder als Linienrichter amtieren zu wollen.
Die Begründung dieser Strafen!
Zu 1. Der Spieler Reinhold Münzenberg hat im Anschluß an einen verhängten Strafstoß am oben erwähnten Spieltage dem Schiedsrichter gegenüber den Ausdruck gebraucht: 'Jetzt ist mir alles egal, jetzt trete ich alles kaputt.'
[...] Dem Spieler Münzenberg war nicht unbekannt, daß seine Spielweise nicht nur die Schiedsrichter immer wieder vor die schwierigsten Aufgaben stellte, sondern daß auch in seinem engsten Heimatkreise die führenden Männer des DRL ihn schon ermahnten und ihn ernstlich ersuchen mußten, seine Spielart zu ändern. [...] Die von mir verhängte Strafe ist die Mindeststrafe und mit Rücksicht auf die Verdienste Münzenbergs um den deutschen Fußballsport deshalb auch nicht erhöht worden, obschon Münzenberg der allein Schuldige und Urheber der Tumultszenen in Aachen war.
Zu 2. Die ausgesprochene Platzsperre soll die Aachener Zuschauer zur Besinnung bringen, die an dem obengenannten Spieltage in einer Form gegen die sportlichen Gesetze und den sportlichen Anstand verstoßen haben, wie dies bisher im Gau XI auf einem Fußballplatz noch nicht erlebt wurde.
Die beleidigenden Ausdrücke aus den Zuschauerrängen hier wiederzugeben, kann ich mir versagen. Die Drohungen, die ausgesprochen wurden, waren solcher Art, daß man nicht mehr glauben konnte, auf einem Sportplatz zu sein. Seitens der Alemannenführung wurde hiergegen nichts unternommen, obschon diese die Zurufe wie 'lyncht ihn', 'wir schlagen dich tot', 'du kommst nicht lebend vom Platze' und so fort, wohl nicht überhört haben kann.
[...] Auf das Alemannenspielfeld jedoch strömten in derselben Sekunde, als der Schlußpfiff ertönte, viele hunderte Erwachsene, die ihre vorherigen Drohungen wahrmachen wollten. Der Schiedsrichter wurde mehrfach getreten, gestoßen und erhielt außerdem einige Steinwürfe, die glücklicherweise nur zu Gesichtsanschwellungen führten.
Die Polizei führte den Schiedsrichter auf großem Umwege ab, aber auch auf diesem Wege folgten die Massen und mußten wieder von den Polizisten zurückgestoßen werden. Es war ein Bild, ähnlich dem, wenn ein Schwerverbrecher, um nicht von der Masse gelyncht zu werden, abgeführt wird."
(Gaufachwart Zündorf, Köln, der kurz nach Veröffentlichung des Urteils aus beruflichen Gründen von seinem Amt zurücktrat)

"Hiermit erheben wir gegen das obengenannte Urteil in aller Form Berufung, weil eine Reihe der darin enthaltenen Anschuldigungen nicht den Tatsachen entsprechen.
[...] In dem vorgenannten Urteil wird mit keinem Worte die überaus schwache Leitung des Schiedsrichters Forst, die die Veranlassung zu den unliebsamen Vorkommnissen war, erwähnt. [...] Die Verweisung des Spielers Münzenbergs geschah dann auf Grund einer vom Schiedsrichter nur vermuteten Absicht Münzenbergs, einen gegnerischen Spieler hart anzugehen. Wie wenig der Schiedsrichter seine Nerven in der Gewalt hatte, beweist die Tatsache, daß er zunächst behauptete, schon in der Pause von einem Zuschauer geschlagen worden zu sein, was in keiner Weise den Tatsachen entspricht und auch von Herrn Forst späterhin nicht maßgebend gemacht worden ist. In der zweiten Halbzeit hatte Forst augenscheinlich das Gefühl, etwas gutmachen zu müssen, denn er traf Entscheidungen zugunsten der Alemannia, die ebensowenig berechtigt waren, wie die vorherigen scharfen Maßnahmen gegen unsere Mannschaft.
Die offensichtliche Erregung und Unsicherheit des Schiedsrichters Forst hatten unzweifelhaft ihren Grund darin, daß er noch unter dem Eindruck des acht Tage vorher beim Pokalspiel Waldhof gegen Herne Erlebten stand. Wegen dieser Vorfälle war bekanntlich Forst seitens des Reichsfachamtes von der Reichsschiedsrichterliste gestrichen worden.
Wir müssen daher gegen die Austragung bzw. Leitung dieses Spieles unter dem gestrichenen Schiedsrichter Forst formgerechten Einspruch einlegen und erbitten die Neuansetzung dieses Spieles unter anderer Leitung.
[...] Befremdend muß es auch wirken, daß Schiedsrichter Forst nach seiner von allen Seiten verurteilten schlechten Schiedsrichterleistung bei diesem Pokalspiel nicht von sich aus auf die Leitung unseres schweren Meisterschaftsspieles verzichtete. [...] Es leitete ihn dabei wohl die Absicht, sich vor den Augen des Gaufachwartes, der zugleich Schriftleiter der über das ganze Reichsgebiet verbreiteten Zeitschrift 'Die Fußballwoche' ist, nach dem Versagen in Mannheim wieder in ein besseres Licht zu setzen.
Bei Zusammenfassung aller uns während des Spieles und besonders in den Tagen nach dem Spiel bekannt gewordenen Tatsachen vermögen wir uns des Eindruckes nicht zu erwehren, daß Forst und auch Zündorf - letzterer in seiner Eigenschaft als Mitglied des VfL. 99 Köln - gegenüber unserem Verein die notwendige Objektivität haben vermissen lassen.
[...] Die in dem Urteil aufgeführten Mißhandlungen des Schiedsrichters sind frei erfunden; das kann durch unzählige Zeugen bewiesen werden. [...] Die ungeheure Erregung der 8000 Zuschauer, die bei dem Spiel anwesend waren, erklärt sich übrigens aus dem völligen Versagen des Schiedsrichters, dessen Maßnahmen beim fachkundigen Publikum unverständlich erscheinen mußten.
[...] Nachdenklich stimmt ferner die Tatsache, daß Zündorf einflußreiches Mitglied unseres Gegners in diesem Spiele, nämlich des VfL 99 Köln ist, und daß er seinen Spielern für jedermann wahrnehmbare taktische Anweisungen während des Spieles selbst gegeben hat. [...] Bezeichnend für die Einstellung des Gaufachwartes ist es ferner, daß er acht Tage vor dem fraglichen Spiel seine Mannschaft nach Würselen begleitete und bei dieser Gelegenheit dem dortigen Ortsgruppenleiter der NSDAP, Pg. Schöner, u.a. erklärte, daß er Anweisung gegeben habe, bei dem geringsten Anlaß sei Münzenberg vom Platze zu verweisen.
[...] Die Ueberschrift zu dem Artikel Zündorfs in der Fußballwoche: 'Alemannias Hoffnungen durch Münzenberg zertrümmert. Am ersten Tage seines Militärdienstes verkannte der Nationalspieler die Disziplin,' ist eine öffentliche Beleidigung Münzenbergs. [...] Außerdem ist diese Ueberschrift eine allen Anstands- und Bildungsgraden, auch die Deutsche Wehrmacht treffende Unverschämtheit, die den Artikelschreiber nur allzu treffend kennzeichnet."
(Vereinsführer, gez. Dr. Moll)

"Dieser Einspruch wurde am 17. November abgelehnt, wie folgt:
[...] Das Urteil erster Instanz wird in folgenden Punkten abgeändert:
a) auf die Benennung des Platzordners wird verzichtet.
b) auf die Benennung des Mitgliedes, das dem Schiedsrichter das Spielformular aushändigte, wird verzichtet.
c) die Platzsperre wird von einem Heimspiel auf die nächsten drei Heimspiele erhöht.
[...] Wenn auch das Ersturteil zweckmäßig völlig Unbeteiligten hätte überlassen werden sollen, so ist die Strafe keineswegs zu schwer, eher als zu milde anzusehen.
[...] Die zum Ausdruck gebrachte Unterstellung, der Schiedsrichter hätte sich durch beabsichtigte Benachteiligung Alemannias beim Gaufachwart in ein besseres Licht setzen wollen, ist eine unbewiesene Behauptung, die ein unbegründetes und mit einer Sportkameradschaft unvereinbares Mißtrauen zeigt.
[...] Die Platzsperre für ein Heimspiel erscheint um so weniger als ausreichende Sühne für die im Spiel vorgekommenen Ordnungswidrigkeiten, weil es die Vereinsleitung von Alemannia nicht für erforderlich hält, die im Ersturteil angeforderten Namen der Vereinsmitglieder namhaft zu machen, die insbesondere eine Mitschuld an den Vorfällen tragen. Es erscheint daher angebracht, den genannten Verein wie die Zuschauer wissen zu lassen, daß mit aller Schärfe gegen die Auswüchse des Sportes eingeschritten wird.
Heil Hitler!
Reichsfachschaft Fußball
gez.: Linnemann,
Reichsfachamtsleiter"

"Uebrigens hatte der diensttuende Polizeioffizier in der Spielpause die Absicht, den Schiedsrichter mit der Begründung in Schutzhaft zu nehmen, daß er durch seine Entscheidungen das Volk aufreize."
(Aachener Anzeiger)

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