Zuschauer: 8000
Platzverweis: Münzenberg (30.; grobes Foulspiel)
0:1 Bars (ca. 5.)
0:2 Moog I (ca. 20.; Foulelfmeter)
1:2 Gruber (56.; Foulelfmeter)
* Das erste Tor sei abseits gewesen, dem Elfmeter sei ein einwandfreier
Einsatz Münzenbergs gegen Weyer vorausgegangen und der Platzverweis sei
unverständlich, haderte man auf Aachener Seite mit dem Kölner
Schiedsrichter Forst. Dieser wurde nach dem Spiel tätlich angegriffen
und von wütenden Zuschauern bis zum Bahnhof und z.T. bis in den Zug
nach Köln verfolgt.
* Münzenberg wurde vom Kölner Gaufachwart Zündorf für 9
Wochen gesperrt; zusätzlich wurde eine Platzsperre für ein Spiel
verhängt, die infolge eines Protestes der Alemannia sogar auf drei Spiele
erhöht wurde; die Alemannia musste die nächsten 3 Heimspiele auf
dem Platz des Gegners austragen.
"Urteil
[...] 1. Der Spieler Reinhold Münzenberg, Alemannia Aachen, wird
auf Grund des Schiedsrichterberichtes bis zum 31.12.1938 gesperrt.
2. Der Platz der Alemannia Aachen wird vorerst für das nächte
Meisterschaftsspiel gesperrt, d. h. das nächste Meisterschaftsspiel auf
dem Platz der Alemannia (20. 11. 38 Alemannia - VfR Köln) findet demnach
auf dem VfR-Platz statt.
Der Vereinsführer von Alemannia Aachen, Dr. Moll, wird ernstlich
verwarnt, weil der den Vorschriften zuwider, Platzordner am Spielfeldrand
aufstellte, dazu solche, die statt Ordnung zu halten oder für eine
Beruhigung Sorge zu tragen, mit zu dem Chor der Entrüsteten
zählten.
[...] Verwarnt wird ferner der Fußball-Obmann Karl Zolper, der durch
sein Verhalten und seine Bemerkungen zu den Zuschauern, 'das sind die
Früchte der Berliner Anordnungen, daß die Schiedsrichter so
leiten', ebenfalls statt zur Beruhigung beizutragen, die gereizte Stimmung
noch erhöhte.
[...] Dem Vereinsführer wird weiter aufgetragen, den Namen des Mitgliedes
nach hier zu melden, der dem Schiedsrichter das Berichtsformular
aushändigte und selbst die Namen der Aachener Mannschaft einschrieb.
Dieses Mitglied der Alemannia Aachen gilt wegen seiner Bemerkung zum
Schiedsrichter auf dem Spielfelde, auf dem er nichts zu suchen hatte, 'wenn
Sie den Münzenberg vom Platz setzen, kommen Sie nicht lebend vom Platze',
als bis auf weiteres ausgeschlossen. Der Ausschluß aus dem DRL ist
Angelegenheit der zuständigen Organe.
Es ist ferner der Alemannia verboten, dem hier in Frage kommenden Mitglied
weiterhin Zutritt zu den Spielen der Ligamannschaft der Alemannia zu
gewähren, d. h. also, die Alemannia ist verpflichtet, dem Betreffenden
gegebenenfalls durch ein ordentliches Gerichtsverfahren das Verbot des
Betretens des Platzes zuzustellen.
[...] Weiter wird die Alemannia aufgefordert, jenen Platzordner mit Armbinde
namhaft zu machen, der bezeugen will, daß der Schiedsrichter vor dem
Spiel die Bemerkung gemacht hat, 'den Münzenberg werde er heute vom
Platz setzen'.
[...] Seitens des Schiedsrichters wird gegen diesen Volksgenossen Klage
erhoben, damit der Zeuge vor dem ordentlichen Gericht die Möglichkeit
hat, seine Aeußerungen durch Eid zu erhärten. - Erwähnt sei
zu diesem Punkt, daß der Schiedsrichter bereits den Nachweis erbrachte,
daß er seit seiner Ankunft, mit den Linienrichtern von 2 Uhr 15
zusammen war und mit keinem Dritten ein Wort gesprochen hat.
Im übrigen erklärten die beiden Linienrichter, nie wieder auf dem
Platz der Alemannia leiten oder als Linienrichter amtieren zu wollen.
Die Begründung dieser Strafen!
Zu 1. Der Spieler Reinhold Münzenberg hat im Anschluß an einen
verhängten Strafstoß am oben erwähnten Spieltage dem
Schiedsrichter gegenüber den Ausdruck gebraucht: 'Jetzt ist mir alles
egal, jetzt trete ich alles kaputt.'
[...] Dem Spieler Münzenberg war nicht unbekannt, daß seine
Spielweise nicht nur die Schiedsrichter immer wieder vor die schwierigsten
Aufgaben stellte, sondern daß auch in seinem engsten Heimatkreise die
führenden Männer des DRL ihn schon ermahnten und ihn ernstlich
ersuchen mußten, seine Spielart zu ändern. [...] Die von mir
verhängte Strafe ist die Mindeststrafe und mit Rücksicht auf die
Verdienste Münzenbergs um den deutschen Fußballsport deshalb auch
nicht erhöht worden, obschon Münzenberg der allein Schuldige und
Urheber der Tumultszenen in Aachen war.
Zu 2. Die ausgesprochene Platzsperre soll die Aachener Zuschauer zur
Besinnung bringen, die an dem obengenannten Spieltage in einer Form gegen die
sportlichen Gesetze und den sportlichen Anstand verstoßen haben, wie
dies bisher im Gau XI auf einem Fußballplatz noch nicht erlebt
wurde.
Die beleidigenden Ausdrücke aus den Zuschauerrängen hier
wiederzugeben, kann ich mir versagen. Die Drohungen, die ausgesprochen
wurden, waren solcher Art, daß man nicht mehr glauben konnte, auf einem
Sportplatz zu sein. Seitens der Alemannenführung wurde hiergegen
nichts unternommen, obschon diese die Zurufe wie 'lyncht ihn',
'wir schlagen dich tot', 'du kommst nicht lebend vom Platze' und so fort,
wohl nicht überhört haben kann.
[...] Auf das Alemannenspielfeld jedoch strömten in derselben Sekunde,
als der Schlußpfiff ertönte, viele hunderte Erwachsene, die ihre
vorherigen Drohungen wahrmachen wollten. Der Schiedsrichter wurde mehrfach
getreten, gestoßen und erhielt außerdem einige Steinwürfe,
die glücklicherweise nur zu Gesichtsanschwellungen führten.
Die Polizei führte den Schiedsrichter auf großem Umwege ab, aber
auch auf diesem Wege folgten die Massen und mußten wieder von den
Polizisten zurückgestoßen werden. Es war ein Bild, ähnlich
dem, wenn ein Schwerverbrecher, um nicht von der Masse gelyncht zu werden,
abgeführt wird."
(Gaufachwart Zündorf, Köln, der kurz nach Veröffentlichung
des Urteils aus beruflichen Gründen von seinem Amt zurücktrat)
"Hiermit erheben wir gegen das obengenannte Urteil in aller Form
Berufung, weil eine Reihe der darin enthaltenen Anschuldigungen nicht den
Tatsachen entsprechen.
[...] In dem vorgenannten Urteil wird mit keinem Worte die überaus
schwache Leitung des Schiedsrichters Forst, die die Veranlassung zu den
unliebsamen Vorkommnissen war, erwähnt. [...] Die Verweisung des Spielers
Münzenbergs geschah dann auf Grund einer vom Schiedsrichter nur
vermuteten Absicht Münzenbergs, einen gegnerischen Spieler hart
anzugehen. Wie wenig der Schiedsrichter seine Nerven in der Gewalt hatte,
beweist die Tatsache, daß er zunächst behauptete, schon in der
Pause von einem Zuschauer geschlagen worden zu sein, was in keiner Weise den
Tatsachen entspricht und auch von Herrn Forst späterhin nicht
maßgebend gemacht worden ist. In der zweiten Halbzeit hatte Forst
augenscheinlich das Gefühl, etwas gutmachen zu müssen, denn er traf
Entscheidungen zugunsten der Alemannia, die ebensowenig berechtigt waren, wie
die vorherigen scharfen Maßnahmen gegen unsere Mannschaft.
Die offensichtliche Erregung und Unsicherheit des Schiedsrichters Forst hatten
unzweifelhaft ihren Grund darin, daß er noch unter dem Eindruck des acht
Tage vorher beim Pokalspiel Waldhof gegen Herne Erlebten stand. Wegen dieser
Vorfälle war bekanntlich Forst seitens des Reichsfachamtes von der
Reichsschiedsrichterliste gestrichen worden.
Wir müssen daher gegen die Austragung bzw. Leitung dieses Spieles unter
dem gestrichenen Schiedsrichter Forst formgerechten Einspruch einlegen und
erbitten die Neuansetzung dieses Spieles unter anderer Leitung.
[...] Befremdend muß es auch wirken, daß Schiedsrichter Forst nach
seiner von allen Seiten verurteilten schlechten Schiedsrichterleistung bei
diesem Pokalspiel nicht von sich aus auf die Leitung unseres schweren
Meisterschaftsspieles verzichtete. [...] Es leitete ihn dabei wohl die
Absicht, sich vor den Augen des Gaufachwartes, der zugleich Schriftleiter der
über das ganze Reichsgebiet verbreiteten Zeitschrift 'Die
Fußballwoche' ist, nach dem Versagen in Mannheim wieder in ein besseres
Licht zu setzen.
Bei Zusammenfassung aller uns während des Spieles und besonders in den
Tagen nach dem Spiel bekannt gewordenen Tatsachen vermögen wir uns des
Eindruckes nicht zu erwehren, daß Forst und auch Zündorf -
letzterer in seiner Eigenschaft als Mitglied des VfL. 99 Köln -
gegenüber unserem Verein die notwendige Objektivität haben
vermissen lassen.
[...] Die in dem Urteil aufgeführten Mißhandlungen des
Schiedsrichters sind frei erfunden; das kann durch unzählige Zeugen
bewiesen werden. [...] Die ungeheure Erregung der 8000 Zuschauer, die bei
dem Spiel anwesend waren, erklärt sich übrigens aus dem
völligen Versagen des Schiedsrichters, dessen Maßnahmen beim
fachkundigen Publikum unverständlich erscheinen mußten.
[...] Nachdenklich stimmt ferner die Tatsache, daß Zündorf
einflußreiches Mitglied unseres Gegners in diesem Spiele, nämlich
des VfL 99 Köln ist, und daß er seinen Spielern für
jedermann wahrnehmbare taktische Anweisungen während des Spieles selbst
gegeben hat. [...] Bezeichnend für die Einstellung des Gaufachwartes ist
es ferner, daß er acht Tage vor dem fraglichen Spiel seine Mannschaft
nach Würselen begleitete und bei dieser Gelegenheit dem dortigen
Ortsgruppenleiter der NSDAP, Pg. Schöner, u.a. erklärte, daß
er Anweisung gegeben habe, bei dem geringsten Anlaß sei Münzenberg
vom Platze zu verweisen.
[...] Die Ueberschrift zu dem Artikel Zündorfs in der
Fußballwoche: 'Alemannias Hoffnungen durch Münzenberg
zertrümmert. Am ersten Tage seines Militärdienstes verkannte der
Nationalspieler die Disziplin,' ist eine öffentliche Beleidigung
Münzenbergs. [...] Außerdem ist diese Ueberschrift eine allen
Anstands- und Bildungsgraden, auch die Deutsche Wehrmacht treffende
Unverschämtheit, die den Artikelschreiber nur allzu treffend
kennzeichnet."
(Vereinsführer, gez. Dr. Moll)
"Dieser Einspruch wurde am 17. November abgelehnt, wie folgt:
[...] Das Urteil erster Instanz wird in folgenden Punkten abgeändert:
a) auf die Benennung des Platzordners wird verzichtet.
b) auf die Benennung des Mitgliedes, das dem Schiedsrichter das Spielformular
aushändigte, wird verzichtet.
c) die Platzsperre wird von einem Heimspiel auf die nächsten drei
Heimspiele erhöht.
[...] Wenn auch das Ersturteil zweckmäßig völlig Unbeteiligten
hätte überlassen werden sollen, so ist die Strafe keineswegs zu
schwer, eher als zu milde anzusehen.
[...] Die zum Ausdruck gebrachte Unterstellung, der Schiedsrichter hätte
sich durch beabsichtigte Benachteiligung Alemannias beim Gaufachwart in ein
besseres Licht setzen wollen, ist eine unbewiesene Behauptung, die ein
unbegründetes und mit einer Sportkameradschaft unvereinbares
Mißtrauen zeigt.
[...] Die Platzsperre für ein Heimspiel erscheint um so weniger als
ausreichende Sühne für die im Spiel vorgekommenen
Ordnungswidrigkeiten, weil es die Vereinsleitung von Alemannia nicht für
erforderlich hält, die im Ersturteil angeforderten Namen der
Vereinsmitglieder namhaft zu machen, die insbesondere eine Mitschuld an den
Vorfällen tragen. Es erscheint daher angebracht, den genannten Verein
wie die Zuschauer wissen zu lassen, daß mit aller Schärfe gegen
die Auswüchse des Sportes eingeschritten wird.
Heil Hitler!
Reichsfachschaft Fußball
gez.: Linnemann,
Reichsfachamtsleiter"
"Uebrigens hatte der diensttuende Polizeioffizier in der Spielpause die
Absicht, den Schiedsrichter mit der Begründung in Schutzhaft zu nehmen,
daß er durch seine Entscheidungen das Volk aufreize."
(Aachener Anzeiger)
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