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Walter - Rothenbach, Waterink, Kracht,
Engelhardt (38. Fritz) - Birk (76. Ertl), Cetin, Melkam,
Fuchs - Graf, Labbadia
(Becker - Heinzen, Butscher, Rus, Rapp / Kuntz) |
Straub - F. Schmidt, Spanier, Bediako -
Landgraf, Grlic, Rauw (55. Rosin), Heeren -
Daun (61. Caillas), T. Diane, Ivanovic (74. Hildmann)
(C. Schmidt - Benthin, Bayock, Lämmermann / Berger) |
Trotz schlechter Leistungen über die gesamte Saison konnte einen ein
Blick auf die Tabelle meistens noch zuversichtlich stimmen. Selbst nach der
Heimpleite gegen Union dachte ich, dass uns der Klassenerhalt schon
irgendwie gelingen würde. Grund dieser Zuversicht war weniger das
Vertrauen in die eigene Mannschaft als die Annahme, dass Unterhaching zu
schwach sei, um die nötigen Punkte zu holen. Um so größer war
dann der Schock, als am Freitagabend der Videotext meldete: "Union
Berlin - Unterhaching 0:2". Damit war Unterhaching bis auf zwei Punkte
herangerückt, und es war klar, dass es bei einer Niederlage in Karlsruhe
in Anbetracht des Restprogramms ganz, ganz finster aussehen würde. Die
Erinnerung an den Abstieg 1990 und die Aussicht auf die diversen
katastrophalen Auswirkungen eines erneuten Abstiegs hielten mich die ganze
Nacht wach. Am nächsten Morgen im Zug hatten einige Mitreisende ganz
andere Probleme, von denen sich die meisten auf die Überschätzung
der Leistungsfähigkeit der eigenen Leber zurückführen lassen.
Seltsamerweise ging es bei keiner der Diskussionen und Rangeleien im Zug um
das Thema Alemannia. Den Putzfrauen der Deutschen Bahn, die das ganze
sangriafarbene Erbrochene später aufwischen durften, wird es egal
gewesen sein. Etwas schade ist nur, dass viele im Stadion beim wichtigsten
Spiel seit Jahren nur noch körperlich anwesend waren. Noch bedauerlicher
ist die insgesamt recht geringe und der Bedeutung des Spiels nicht angemessene
Zahl von rund 300 Aachenern im Gästeblock.
Die Alemannia musste in Karlsruhe auf Karlheinz Pflipsen verzichten. Frank
Schmidt, Mark Spanier und Markus Daun hingegen, deren Einsatz lange fraglich
gewesen war, konnten von Beginn an spielen. Dabei fungierte Frank Schmidt
als Libero hinter den Manndeckern Spanier und Bediako. Auch der KSC musste
mit dem gelbgesperrten Grimm auf einen wichtigen Spieler verzichten. Der
Gastgeber hatte in der ersten Halbzeit mehr vom Spiel, ohne sich allerdings
zwingende Chancen herauszuarbeiten. Die Aachener Defensive um Frank Schmidt
stand sicher wie lange nicht mehr. Nach einer Viertelstunde startete die
Alemannia den ersten vielversprechenden Angriff auf das Kalrsruher Tor. Ein
langer Ball von Bernd Rauw über die Karlsruher Abseitsfalle hinweg
landete bei Josef Ivanovic, der, noch bedrängt von einem Gegenspieler,
in halblinker Position auf Torhüter Walter hinzulief. Er behielt die
Nerven und schob den Ball unter dem Keeper hindurch zum vielumjubelten 0:1
in die Maschen. Auch nach dem Tor hatte der KSC zwar meistens Ballbesitz,
aber keine zündenden Ideen. Nach einer knappen halben Stunde sah sich
Markus Daun bei einem Konter über rechts nur einem Abwehrspieler
gegenüber. Er schlug einen Haken in die Mitte und schlenzte den Ball
aus sechzehn Metern flach zum 0:2 in die lange Ecke. Der Spielstand stellte
den Spielverlauf auf den Kopf. Den mitgereisten Anhängern war es egal,
viele hatten jetzt Tränen der Freude und Erleichterung in den Augen,
aber leider war noch mehr als eine Stunde zu spielen. Kurz vor der Pause
erhöhte der KSC den Druck, und Rothenbach konnte eine Hereingabe von
Fritz von der rechten Seite aus kurzer Distanz zum 1:2 über die Linie
drücken. Somit musste in der zweiten Halbzeit noch einmal kräftig
gezittert werden.
Die Aachener beschränkten sich nach dem Wechsel auf die Defensivarbeit
und standen tief in der eigenen Hälfte. Im Laufe der Zeit wurde mit den
Einwechslungen von Rosin, Caillas und Hildmann für Rauw, Daun und
Ivanovic die Defensive weiter verstärkt. Bruno Labbadia verpasste eine
Hereingabe von Clemens Fritz nur knapp, später konnte Stephan Straub
einen fulminanten Schuss von Melkam zur Ecke lenken. Die Zeit verging viel zu
langsam, und ständig sah man nervös zur Uhr und freute sich, dass
seit dem letzten Blick zur Uhr schon wieder zwanzig Sekunden vergangen waren.
Ein Kopfball von Labbadia nach Ecke von Fuchs strich über die Latte,
ansonsten waren Chancen zum Glück Mangelware. Eine Viertelstunde vor dem
Ende übertrieb es Ivica Grlic mit dem Zeitspiel, als er sich den Ball
beim Freistoß zu langsam zurechtlegte. Da er bereits verwarnt war,
mussten die Aachener das Ergebnis zu zehnt über die Zeit retten. Den
mitgereisten Fans stockte noch einmal der Atem, als Cetin nach Flanke von Graf
am langen Pfosten frei zum Schuss kam, aber mit einer Direktabnahme aus
fünf Metern das Tor verfehlte. Auf der anderen Seite hätte Olivier
Caillas bei einem Konter das Spiel entscheiden können, scheiterte aber
an Torwart Walter. Der Schiedsrichter schonte die Nerven des Aachener Anhangs
nicht und ließ lange nachspielen, bevor endlich der erlösende
Schlusspfiff ertönte.
Während sich im Gästeblock alle in den Armen lagen, wurde die
Mannschaft am Zaun endlich einmal gefeiert und nicht beschimpft. Über
neunzig Minuten hatten sie alles gegeben und mit ihren bescheidenen Mitteln
den Sieg erkämpft und erzittert. Viele Fans konnten ihr Glück kaum
glauben, andere waren aufgrund ihres Alkoholpegels ohnehin zu nichts mehr zu
gebrauchen, und so wurde auf der Rückfahrt nur im kleinen Kreis gefeiert.
Lediglich die feierliche Intonation der polnischen Nationalhymne brachte das
ganze Abteil auf die Beine. In der Euphorie konnte man sogar das 0:7-Debakel
der so gut wie abgestiegenen A-Jugend in Sülz am nächsten Morgen
locker verkraften. Trotz aller Freude sollte man nicht vergessen, dass wir
noch nicht ganz gerettet sind - immerhin würde jetzt aber ein Punkt in
Unterhaching oder auch schon ein Punkt von Mannheim gegen Karlsruhe am
nächsten Spieltag reichen. Im übrigen sind die Aussichten für
die Zukunft bei der Finanzlage nach wie vor nicht gerade rosig. Sollte die Klasse gehalten
werden, steht im nächsten Jahr wahrscheinlich wieder Abstiegskampf auf
dem Programm.