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Esteban - Ramos, Alfaro, Navarro, David - Navas, Martí,
Renato, Sales (70. Alves) -
Baptista (84. Jordi), Aranda (87. Carlitos)
(Notario - Silva, A. López, Pablo / Caparrós) |
Straub - Landgraf (77. Scharping), Klitzpera, Sichone, Blank -
Plaßhenrich, Brinkmann, Fiel (77. Iwelumo) -
Pinto (70. Bruns), Michalke, Meijer
(Nicht - Stehle, Paulus, Hengen / Hecking) |
"Aachen ist die schönste Stadt der Welt" schmetterte man als
Alemannia-Fan in letzter Zeit des öfteren voller Inbrunst. Das erste
Auswärtsspiel der Gruppenphase in Sevilla sollte einen allerdings
diesbezüglich nachdenklich stimmen. Enge Gassen, alte Häuser,
leckere Tapas, billiges Bier, schöne Frauen, 20 Grad im November -
schnell musste man einsehen, dass Sevilla eine ganz andere Welt war als
Reykjavík. Zwischen Kathedrale, Alcazar, Fußball- und
Stierkampfarenen, großen Brüsten und prallen Hintern wussten die Augen
gar nicht mehr, wohin. Und mittendrin im ganzen unsere Alemannia; schon am Tag
vor dem Spiel lief man in der Stadt vielen bekannten und unbekannten
Gestalten in schwarz-gelber Kluft über den Weg, die sich "auf ein
Schnelles" in den zahlreichen Kneipen der Altstadt trafen. In der
Zwischenzeit bildeten die Einheimischen am Stadion lange Schlangen, um Karten
für das Spiel gegen die Alemannia zu ergattern. Was für ein
Gefühl: 2000 Kilometer von zu Hause, ein riesiges Stadion, Plakate, auf
denen "Alemannia Aachen" steht, und die Leute stehen an,
als gäbe es Freibier.
Am Donnerstag Mittag schließlich nach Landung der Ryan-Air- und
Alemannia-Air-Maschinen schien Sevilla endgültig in schwarz-gelber Hand
zu sein. Ärger gab es dabei nicht, stattdessen fanden sich zahlreiche
Einheimische, die sich als Fans von Betis zu erkennen gaben und uns viel
Glück gegen den ungeliebten Lokalrivalen wünschten.
Etwas störend beim ohnehin zu kurzen Aufenthalt in Sevilla war nur die
Rennerei wegen der Eintrittskarten. Um 15 Uhr sollte man die bei der Alemannia
reservierten Karten in einem Hotel in Stadionnähe abholen können.
Dort wartete dann zwar ein hämisch grinsender Zivilpolizist im Anzug (!),
der eine Bestandsaufnahme der anwesenden Aachener Fanszene machte, aber
ansonsten nur spanisches Hotelpersonal, das einem mitteilte, die Karten
gäbe es um 18 Uhr. Nachdem man sich schließlich den halben Tag
für die Karten die Füße plattgelaufen hatte, konnte es am
Abend ins Stadion gehen.
Jenes Stadion Ramón Sánchez Pizjuán ist zwar nur das
drittgrößte der Stadt, zählt aber zweifelsohne zu den
spektakulärsten, in denen die Alemannia je gespielt hat. 45500 Zuschauer
haben von zwei für Spanien typisch steilen Rängen beste Sicht aufs
Spielfeld. Ganz voll wurde es am Ende nicht, aber rund 40000 Besucher bildeten
schon eine andere Kulisse als 1514 in Reykjavík. Die 400-500 Aachener
wurden von der Polizei größtenteils auf den Oberrang der
Haupttribüne begleitet, nahe der Eckfahne des Tores, hinter dem die
heimischen Ultras standen. Einige Aachener fanden sich auch im eigentlichen
Gästeblock gegenüber ein, der vom FC Sevilla aufgelöst worden
war, nachdem die Alemannia nur Karten für die Haupttribüne geordert
hatte. Die Atmosphäre entsprach nicht den Erfahrungen, die man mit der
eher mauen Stimmung in den meisten spanischen Stadien gemacht hatte. Die
Ankunft des heimischen Mannschaftsbusses ließ nichts gutes ahnen
(arrogant guckende Typen mit zuviel Gel in den Haaren, denen wie Popstars
zugejubelt wird), aber beim Spiel wurde es dann richtig laut, und der
Aachener Anhang hatte kaum mal die Chance, sich bemerkbar zu machen.
Auch unsere Mannschaft - ohne Simon Rolfes, aber mit Cristian Fiel angetreten -
merkte schnell, womit sie es zu tun hatte. Die Gastgeber legten furios los
und erzielten das frühe Tor, das wie eigentlich immer vermieden werden
sollte. Aranda brachte eine Flanke von der rechten Seite im zweiten Versuch
über die Linie. Nach rund einer Viertelstunde konnte sich unsere
Mannschaft aber allmählich befreien und hielt bravourös dagegen.
Nach einem ersten Warnschuss von Sergio Pinto war Kai Michalke dem Ausgleich
mit einem Distanzschuss ganz nahe, aber der Ball strich Zentimeter am linken
Pfosten vorbei. Auf der anderen Seite reagierte Stephan Straub bei einem
Kopfball von Julio Baptista prächtig. Der Pausenstand von 1:0 gab
durchaus Anlass zur Hoffnung. Sevilla war stark, aber keine
Übermannschaft, und irgendein Glückstreffer zum 1:1 sollte doch
drin sein.
Die Alemannia hielt das Spiel auch im zweiten Durchgang offen, auch dank
Stephan Straub, der bei einem abgefälschten Schuss von Renato wieder
einmal stark reagierte. Auch die gegnerischen Fans, deren Prognosen vor dem
Spiel noch zwischen 3:0 und 6:1 geschwankt hatten, nahmen die Alemannia nun
ernst - erst recht, nachdem im Alemannia-Lager bengalisches Feuer
angezündet wurde und mit "Betis"-Rufen provoziert wurde. Es
flogen diverse Gegenstände in unseren Block und mehrmals wurde lauthals
"Puta Alemannia" oder ähnliches angestimmt - ein erhebendes
Gefühl. Die Alemannia tat ihr bestes, um dem Spiel eine Wende zu geben,
konnte der starken Defensive der Gastgeber, die im Ligaalltag ganz anderen
Offensivkalibern Paroli bieten müssen, aber nie ernsthaft gefährlich
werden. So fiel eine Viertelstunde vor dem Ende aus einer der ebenfalls nicht
gerade zahlreichen Torchancen der Gastgeber die Entscheidung. Moses Sichone
brachte Julio Baptista zu Fall, der den fälligen Strafstoß selber
zum 2:0 verwandelte.
Unsere Mannschaft konnte am Ende hoch erhobenen Hauptes das Spielfeld
verlassen und ließ sich damit auch mehr Zeit als die Spanier, die
schnell und grußlos in der Kabine verschwanden. Auch aus der Heimkurve
gab es verdienten Applaus für die tapfer kämpfenden Alemannen.
Für einen Verein, der vor acht Jahren noch mit 2:0 bei Germania Teveren
verloren hat, ist es sicherlich keine Schande, mit 2:0 beim FC Sevilla zu
verlieren. Die Chancen auf die nächste Runde sind zwar, auch durch das 2:1 von
Lille gegen St.Petersburg, gesunken, aber noch ist alles drin, und gegen
Petersburg wird die Hütte in Cöln brennen.
In Sevilla weiß man jetzt jedenfalls, wer die Alemannia ist. Selbst
von den heimischen Bullen wurde man ernstgenommen und erhielt dank
Blocksperre die Gelegenheit, die Spieler beim Auslaufen zu feiern und
vergeblich nach Eintrittskarten und Programmheften zu suchen. Nach Ende der
Blocksperre traf man auf eine unerwartet tote Altstadt, in der man
um diese Jahreszeit wohl um Mitternacht die Bürgersteige hochklappt. In
der einzig auffindbaren geöffneten Kneipe versuchte einem ein
Amerikaner den Sport und das Fansein zu erklären, und die Einheimischen
hatten weniger vom UEFA-Cup zu erzählen als von der Veranstaltung am
nächsten Tag, an dem ein schwuler Zwerg in Ballettschühchen und
enger Hose um ein unschuldiges Tier herumtänzeln und deswegen von den
schönen Frauen mit den großen Brüsten vergöttert werden
sollte. Damit blieb immerhin das beruhigende Fazit, dass Aachen eben doch die
schönste Stadt der Welt ist.